WALTER KRATNER // „LAMPEDUSA“ (2015/2023)
Holz (grau, lackiert), Bauholz (geölt), luftgetrockneter Kadaver einer Ratte, Glastafeln, Handgriffe, Beschläge, Drehräder, Filzteppich (ca. 700 x 300 cm)
Für: >>Part of the Game 2023 | Kunsthalle Graz | 11. April 2023
Die raumgreifende Objektinstallation „Lampedusa“ von Walter Kratner, die das konstruktive Skelett eines gesunkenen Bootes nachstellt, wird zum Symbol für Scheitern und Verzweiflung. „Flüchtlinge“ nennen wir seit Jahrzehnten diejenigen, die vor den Toren Europas dazu verdammt sind, nicht anzukommen.
Sowohl in der Literatur als auch in der Kunst spiegeln Motive des Schiffbruchs das Scheitern der Hoffnung auf eine menschlichere Zukunft, − auf dem „Floß der Medusa“ des französischen Malers Théodore Géricault überleben nur die Stärksten. Alle anderen werden Opfer von Kannibalismus. Es sind Menetekel der Moderne. Im „Eismeer“ von Caspar David Friedrich wird ein Schiffswrack zum Symbol für die Kälte und Isolation, in die sich die Menschheit hinein manövriert hat. Das Bild trägt den Untertitel „Die gescheiterte Hoffnung“ − kein Land in Sicht. Nur das Nichts. Der Mensch, allein gelassen von Gott und ohne Aussicht auf Erlösung: Die alten Legenden symbolisieren das Schicksal des modernen Menschen.
In seiner Objektinstallation „Lampedusa“ hebt der Künstler den luftgetrockneten Tierkadaver einer Ratte als Installations-Fragment gesondert hervor. Das bleiche tote Tier liegt in einer Aussparung aus geordneten Lamellen, wie eingebettet, in einem gläsernen Sarg. Sinnbild für Tausende Ertrunkene.
„Zugleich liegt die Ratte unter der Glasabdeckung wie ein Museumsobjekt, Distanz entsteht, das Ekelgefühl wird abgemildert und aufgefangen. Es wandelt sich in Ehrfurcht vor dem Tod.“ (Zit.: Susanne Ramm-Weber, Kunsthistorikerin, Offenburg)
ZUR ERÖFFNUNG // 11.04.2023 // Kunsthalle Graz
Masoud Razavy Pour // „Lampedusa“ // Kurzfilm
Der iranische Videokünstler Masoud Razavy Pour dokumentierte 2015 die Objektinstallation „Lampedusa“ von Walter Kratner im Sakralraum der Basilika am Weizberg. Der Videofilm geht freilich über die Dimension eines reinen Dokumentarfilms hinaus. Masoud Razavy Pour verwendet in verschiedenen Sequenzen Filmmaterial, das neu gedreht wurde, um die entsetzliche Situation der Flüchtlinge in künstlerischer Form beschreiben zu können. Eigens für „Lampedusa“ geschriebene Texte von Kuratoren, Künstlern und Kunsthistorikern aus Italien, der USA, Deutschland, aus dem Iran und Österreich collagierte Razavy Pour zu einem eindringlichen, visuellen Opus.
>> ALLE TEXTE: Susanne Ramm-Weber (Offenburg), Javid Ramezani (Teheran), Stefania Severi (Rom), Walter Kratner (Graz), Masoud Razavy Pour (Graz), Shmulik Krampf (San Francisco), Barbara Jenner (Berlin), Fery Berger (Weiz), Gregory Edwards (San Francisco).
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BEITRÄGE ZUM THEMA:
>> LYDIA MISCHKULNIG_90 Sekunden_LITERATUR
>> WALTER KRATNER | „Tod im Wasser“ | Graz | BLOG #97
>> WALTER KRATNER | „Lampedusa 2/Fragment“ | BLOG #43
Die Verwendung der Ekelmetapher „Ratte“ im Zusammenhang mit der Flüchtlingsproblematik in einer österreichischen Regionalzeitung („Süd-Ost Journal“ vom 27.12.2018), bewog den Künstler zu dieser Ausstellungspräsentation von „Lampedusa“ in fragmentarischer Form.
>> KUNSTHALLE GRAZ | „Part of the game 2023“