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#57

FEDE GALIZIA (1578 – 1630) // “Portrait of Paolo Morigia”, (1592/95)

Öl auf Leinwand (88 x 79 cm) // Pinacoteca Ambrosiana, Milano

Galizia wurde als Tochter des Miniaturmalers Nunzio Galizia in Mailand geboren, wo sie ihr gesamtes Leben verbrachte. 1595 erlangte sie durch ihre Portraitzeichnungen so große Berühmtheit, dass ihr Name bis zum Hof von Kaiser Rudolf II. vordrang. Sie wurde allerdings nicht so bekannt wie andere Künstlerinnen –  Angelica Kauffman oder Elizabeth Vigée-Lebrun – weil Galizia keinen Zugang zu aristokratischen Kreisen hatte und auch nicht die besondere Schirmherrschaft politischer Herrscher und Adliger suchte.

Das Portrait von Paolo Morigia malte Fede Galizia 1596 mit erst achtzehn Jahren. Der Stil ihrer Malerei leitet sich aus den naturalistischen Traditionen der Renaissance in Italien mit einem scharf realistischen Ansatz ab. Das Bildnis des Mailänder Gelehrten und jesuitischen Generaloberers ist mit akribischer Detailgenauigkeit ausgeführt. Die Künstlerin stellt weniger den religiösen Aspekt des Porträtierten heraus. Sie legt den Schwerpunkt auf die Darstellung eines gelehrten Historikers. Das unterstreicht die Brille, die Morigia in der linken Hand hält. Die Reflexion der Fenster in den Brillengläsern zeigt den Einfluss der zeitgenössischen flämischen Kunst, während die große Ausdruckskraft der Lippen auf physiognomische  Studien zurückgreift, die damals dank Leonardo da Vinci in der Lombardei besonders beliebt waren.

Im Sinne der alten Meister gelingt Fede Galizia die Mimesis (die poetische Nachahmung der Realität) besonders mit der Darstellung von Morigias Brille: Die Reflexion der Linsen zeigt den Raum, in dem Morigia sitzt und erhöht so die Illusion der Realität. Die naturalistische Abbildung der Objekte erinnert daran, dass Fede Galizia eine gesuchte Malerin für exquisite Stillleben war.

Die Zeilen, die Morigia auf ein Blatt Papier auf einem aufgeklappten Liederbuch schreibt, beziehen sich auf die malerischen Fähigkeiten der Künstlerin und stammen aus einem Madrigal von Gherardo Borgogni.

Während ihres ganzen Lebens zeigte Galizia eine seltene Vielseitigkeit in ihrer Arbeit und produzierte großartige biblische Szenen und Altarbilder, die von der gegenreformistischen Kirche unter den spanischen Habsburgern in Auftrag gegeben wurden. Ein eigenes Kapitel in der europäischen Kunstgeschichte nehmen ihre Stillleben ein.

Fede Galizia starb 1630 unverheiratet und kinderlos in Mailand an der Pest.

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