luise kloos

„The Last Moment“
pfingstART 2016 // Kulturkeller am Weizberg
Luise Kloos, „Last Moment“, 2015, Graphit auf Papier, 56 x 76 cm

(…) „The last moment / Der letzte Augenblick!“:  

Wenn die Existenz nur mehr in der Erinnerung anderer gegenwärtig bleibt. Manchmal im Erinnerungsbehältnis der Kunst. Luise Kloos zeigt hier, an den Wänden des Tonnengewölbes, Zeichnungen –  Bleistift, Tusche, auf manchen Papieren feinfühlige Collagen im Spannungsfeld zum grafischen Zeichnungsgerüst.

Zu den neuen, für diesen Raum konzipierten Zeichnungen in den Gewölbebogen zu meiner Rechten,  schreibt die Künstlerin:  Während des Arbeitsprozesses setzte sich ein Insekt auf mein Papier. Dieses Insekt symbolisiert für mich die Kürze des Lebens. Den einmaligen Augenblick, wo mich dieses Tier eigentlich bei meiner Arbeit störte, nutzte ich als ein Geschenk und widmete den Zeichenzyklus dem Konzept des „Last Momens“.

So findet sich das „Portrait“ einer Eintagsfliege abgebildet.  (Hat es an diesem einen Tag geregnet, wird das Insekt die Welt nur grau in grau wahrgenommen haben. Wird von der Welt also nur den Regen in Erinnerung behalten!) In Vogelperspektive, in Aufsicht, gezeichnet, – konserviert auf dem Blatt Papier.

Den faszinierenden Mechanismus des Grafischen, den das Malerische und insbesondere die Farbe nicht erfüllen können, weil sie primär „sinnliches Sehen“ zufrieden stellen, nutz die Künstlerin meisterhaft. Nurversetzte, gereihte, verdichtete und/oder verkürzte Striche. Jede Linie ein „last Moment“! Linien in beinahe meditativer Serialität, die in unterschiedlichsten Arten der Strichführung einander folgen, sich der vorhergehenden Linie immer wieder „annähern“ und doch niemals gleich und identisch sind. Tausendfach wiederholte Striche und Linien. Tausende von letzten gezeichneten Momenten!

Trotz der Abstraktheit der Linienstrukturen glaubt man, Räumlichkeit und Gegenständlichkeit wahr zu nehmen. Vielleicht ergänzt unsere Imagination nur dort, wo es keine gibt.

Und mit drei filigranen installativen Körpern definiert die Künstlerin den Raum als durchlässiges Volumen, wobei sich der industrielle Maschendrahtzaun als Träger für Applikationen erweist, die den Eindruck ergeben, als könne  Raum begrenzt werden. „Kunst“, sagt Luise Kloos, „heißt für mich den Menschen die Augen öffnen für Dinge, die ohnehin da sind.“  Und  sie stellt sich der künstlerischen Herausforderung  (Zitat:) „Inhalt zu zeigen, ohne ihn darzustellen“

Ihre behutsame Annäherung an die Persönlichkeit einer Frau – mit dem Zeichnungszyklus zu meiner Linken – aus dem Jahre 2013, bringt das Portrait eines Menschen zu Papier, der sich im Gespräch mit der Künstlerin  jeder psychologisierenden Wahrnehmung entzogen hat. In einer Zeichnung am Ende der Serie taucht der realistische Umriss der Frau auf. Das Haar hat Luise Kloos zum Ornament gezeichnet.

So wie die moderne Psyche gebrochen erscheint, bildet auch ihre Abbildung keine homogene Einheit. Strich und Linie der Zeichnung zerreißen diese Einheit im wahrsten Sinne des Wortes,– denn zwischen jeder Linie eröffnet sich eine „Bruchstelle“, eröffnet sich ein „leerer“ Raum. Der graphische Duktus entspricht dem Fragmentarischen der Wahrnehmung, –  dem Fragmentarischen des Lebens. Jedes Fragment ein letzter Augenblick. (…)

(Text: Walter Kratner, Kurator)

pfingstART 2016: Walter Kratner, Luise Kloos, Barbara Frischmuth, Lydia Mischkulnig

___________

>> Zum KUNST-gespräch: Walter Kratner MIT LUISE KLOOS

___________

Weitere Ausstellungsbesprechungen im pfingstART_Archiv

>> Franz Josef Altenburg | >> Alfred Hrdlicka | >>Barbara Jenner | >> Luise Kloos | >> Ulrike Königshofer | >> Walter Köstenbauer| >> Sonja Ladstätter | >> Touka Neyestani | >> Verena Rotky | >> Pia Schauenburg | >> Hannes Schwarz | >> Erwin Schwentner | >> Jože Šubic | >> Josef Taucher | >> Edith Temmel | >> Jörg Vogeltanz | >> Roswitha Weingrill | >> Christina Wimmer

___________

>> ZURÜCK ZU PFINGSTART_ARCHIV