Neue Kunst | Alte Kirche
St. Thomaskirche am Tabor
Ein Text von Edith Kutschera-Kogler aus „Poetische Orte“ (2013)
VON DER KLACHLSUPPE ZUM HOCHALTAR
Spurenlese: >> „Von der Klachlsuppe zum Hochaltar“ – im Rahmen einer kunstkulturellen Landpartie von der Weizer Taborkirche in die nahegelegene Wallfahrtskirche am Weizberg fragt der Künstler Walter Kratner nach den Schnittstellen zwischen Religion und Gesellschaft und kommentiert mit Texten von Paul Celan bis Thomas Bernhard den sakralen Raum im Wandel der Zeit.
Walter geht einmal den Weg mit mir betont allein. Der durchaus ironische Blick auf provinzielle Enge und barocke Baukunst formt sich im Zuge dieses Nachmittages zu einer intimen Betrachtung eines Menschen und seines Schaffens, zur schimmernden Perle auf meiner persönlichen Momenteschnur. Eine Erfahrung, die ab dem Augenblick ihres Entstehens mein Betrachten verändert.
TABORKIRCHE
Die Taborkirche ist ein epochales Buch. Der Altarraum ist aus der Hand des Künstlers neben mir. Walter Kratner zieht wachhaltenden Linien zwischen dem Einst der Vergangenheit und das Einst der Zukunft. Verbrennt Rosen, und legt bedornte Rosenstiele in ihre Asche am Boden des Altars.
Ich denke Gedichte von Nelly Sachs und Paul Celan, beide Lyriker mit deutsch-jüdischem Schicksal. Sie lassen aus dem Dunkel Bilder aufsteigen und spannen einen literarisch-grandiosen Bogen.
[ … ]
Wie leicht wird Erde sein
nur eine Wolke Abendliebe
wenn Sternhaftes schwand
mit einem Rosenkuß
aus Nichts –
(Nelly Sachs, aus: „Flucht und Verwandlung“)
„Poesie in Rosenasche“ kritzle ich ich in mein Notizbuch und Walter Kratners Worte:
„Im Zuge der Neugestaltung des Altarraumes (2004) wurde die romanisch-gotisch-barocke Stadtkirche im Chorquadrat um ein sakrales Objekt-Ensemble bereichert. Der neue, unaufdringliche Altar ist aus Glas und Stein. In seiner Grundfläche wurde ein «Materialfeld» aus Asche und Dornen eingelassen, um Organisches im Anorganischen zu erhalten, – Vergängliches unvergänglich erscheinen zu lassen.
Als Klammer zwischen den historischen Baustilen, stellt der zeitgenössische Altar in der intimen Stadtkirche, die dem Thomas von Canterbury geweiht ist, etwas transparentes und zurückhaltendes dar.
Diesem unspektakulären Ansatz folgt auch die Installation eines alten, kleinen hölzernen Corpus Christi, dem die Dornenkrone fehlt, als historisches Zitat, auf einem modernen Glaskreuz.“
„Aus Glas ist nicht nur der Altar, aus Glas ist auch der Querbalken des Vortragskreuzes in der Taborkirche. Walter Kratner hat das historische Kruzifixus abgenommen und es auf Stahl und Glas geheftet: ein Anspruch die Historizität museal gewordener Zeichen auf ihren Aktualitätsanspruch zu bedenken. Glas bedeckt auch den Tisch des Altars, aber es wäre zu einfach, diese Glasplatte auch Tischplatte zu nennen. Der Tisch scheint auf den Boden gekippt. Umgedreht. Verkehrt.“
(Zit.: >> Johannes Rauchenberger, Weizbergs Samt, 2006)
Der vorliegende Text wurde der Buchpublikation „Poetische Orte“ von Edith Kutschera-Kogler entnommen.
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>> WIKIPEDIA: Taborkirche | >> Walter Kratner
FOLGENDE MEDIEN BERICHTETEN AUSFÜHRLICH:
>> Taborkirche Weiz | Moderner Altar für romanische Kirche | ORF Steiermark | >> Kleine Zeitung, Ulla Patz | >> Weizer Stadtzeitung „Präsent“ | >> WIKIPEDIA | >> DER STANDARD
>> Video: „Von der Klachlsuppe zum Hochaltar“ | >> Video: Kunst in Weizer Kirchen_Schmalix, Schwarz und Kratner