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Kunst

# 97

WALTER KRATNER // „Tod im Wasser“, 2020/2022

Tierfigur (Zebra), destilliertes Wasser (ca. 5 Liter), Waschschüssel (Blech, weiß, gebraucht), Stein, 2 Schraubenzwingen, Holzkonstruktion (weiß lackiert), Filz (schwarz), Handgriffe; Dim.: ca. 130 x 170 x 110 cm

In Zeiten von Pandemie und Krieg erweckt ein fast steter Aufenthalt in virtuellen Räumen den Anschein, dass Entferntes in gefühlte Nähe rückt.“

Während sich Europa in einer schweren Krise befindet, spielen sich jedoch vor den Toren des Kontinents auf dem Mittelmeer Dramen ab, die kaum noch jemand zur Kenntnis nimmt. Die Krise scheint ein Vorwand zu sein, um Flüchtlinge, die in Seenot geraten, nicht mehr retten zu müssen.

Fast spielerisch rückt die Objektinstallation „Tod im Wasser“ eine ertrinkende Tierfigur − ein afrikanisches Zebra − in den Fokus.

Literatur:

Ovid, Buch I: Metamorphosen 253-312 (Deutsche Übersetzung) – Die Sintflut

(…) Ein Wolf schwimmt zwischen Schafen, die Welle trägt gelbe Löwen,
(305) sie trägt auch Tiger mit sich, und nichts nützen dem Eber seine Blitzeskräfte,
und nichts dem weggetragenen Hirsch seine schnellen Beine,
und nachdem er lange Erde gesucht hatte, wo er anhalten könnte,
fällt der irrende Vogel mit ermatteten Flügeln ins Meer.
Die ungeheure Zügellosigkeit des Wassers hatte Hügel bedeckt,
(310) und es schlugen neue Fluten auf die Berggipfel.
Der größte Teil wird von der Welle weggerissen, und jene, die die Welle verschont hat, vernichtet langes Hungern durch fehlende Nahrung.

Anmerkung zur Arbeit:

„(…) Walter Kratner stellt (…) eine Metamorphose, eine Transformation dar. Sie wissen, das kommt öfters in der Literatur vor, – bekanntlich ursprünglich bei Ovid. Sein Konzept geht wiederum auf Heraklit und noch weiter zurück. Eine dieser Metamorphosen, die sie sicherlich kennen, ist die der Sintflut.

(…) Irgendwann ist der Mensch in seiner eigenen Wandlungsfähigkeit offensichtlich beschränkt. Er meint, um die Außenwelt kennen zu lernen, müsse man sich selbst kennen, um dann die Gesellschaft zu ändern. Diese Vorstellung funktioniert aber nicht und so gibt es in den meisten Kulturen eine Sintflut. Durch sie soll ein neues Leben, – ein anderes Leben entstehen. Walter Kratner nimmt mehr oder weniger eine der Metamorphosen von Ovid auf und zeigt in seiner Installation ein Zebra. Der Künstler geht dabei auf den Originaltext zurück und macht darauf aufmerksam, dass wir so von Neuigkeiten, Bildern und Nachrichten umgeben sind, dass wir viele Dinge außer Acht lassen. Dazu gehört auch die Außerachtlassung, dass tagtäglich Hunderte Menschen  im Mittelmeer ertrinken und vielleicht sogar an unser wunderbares Urlaubsgebiet angeschwemmt werden. Somit stellt der Künstler die Frage nach der Wandelbarkeit, nach der Wandelfähigkeit des Menschen, in den Raum.  (…) Zit.: Roman Grabner (Joanneum, Graz)

ZU SEHEN AB 2. JULI 2022 IM KULTURSTOCK K3 (bei Graz)

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SIEHE AUCH:  Kulturstock 3 | „Tod im Wasser“

SIEHE AUCH:

WALTER KRATNER // „La patria morta“ // Galleria Web Art, Treviso

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#93

JACOBO PONTORMO (1494 – 1557) // Zeichnung aus den Studien zu den Josephsgeschichten der Camera Borgherini in Florenz (1515 – 1518)

Abbildung: Studie zur Gemahlin des Pharao,

Schwarzer Stift und Bleiweiß auf bräunlichem, grundiertem Papier, 40,5 x 29,5 cm (Galleria degli Uffizi)

„Ausdruckstarke Studie eingeschlossener Angst an einer alten Frau … , in der Zeichnung der Linien, die sich in Helligkeit brechen, steckt eine schon beinahe chromatische Intensität.“ (Zit.: L. Becherucci)

Im Auftrag des Bankiers Francesco Borgherinis stattet Pontormo um 1518 gemeinsam mit anderen Fiorentiner Künstlern das Hochzeitszimmer für Borgherinis Sohn aus. Pontormos Beitrag umfasste drei „Cassone“ (Truhenbilder) und Gemälde mit Szenen aus dem Leben Josephs (alle vier Bilder in der National Gallery London).

Florenz ist zwar Geburtsort der Renaissance, aber um 1500 nicht mehr unumstrittene Kunst-Hauptstadt. In einem außergewöhnlichen Klima intellektueller Freiheit treffen in Florenz noch einmal die maßgeblichen Künstler und Kunstauffassungen von Leonardo bis Michelangelo zusammen und zwischen 1494 und 1530 entfaltet sich ein großes, faszinierendes Panorama Florentinischer Kunst. Es spricht für die Aufgeschlossenheit Florentiner Auftraggeber, dass sie auch derart gewagte Künstler-Visionen akzeptierten wie Pontormos Meisterwerke.

Mit 18 Jahren war Pontormo in die Werkstatt von Andrea del Sarto eingetreten. Spätestens seit 1515 gibt es dort einen deutlichen Einstrom deutscher und niederländischer Graphik (Dürer, Lukas van Leyden), in der sich ein „unruhiger“ Bildaufbau andeutet. In diesem Zeitraum ist auch ablesbar wie Michelangelo, Punkt für Punkt, die Proportionen forciert, wie er aus der klassischen Welt der Hochrenaissance in die „antiklassische“ Welt des Manierismus eintritt.

Pontormos Gemälde von Joseph mit Jacob in Ägypten (um 1518), aus der Bilder-Reihe für Pier Francesco Borgherini, legt nahe, dass der revolutionäre neue Stil Pontormos bereits mit diesem frühen Bild begann.

So gilt das Gemälde „Jacob in Ägypten“ auch als ein Meisterwerk des Manierismus. Pontormo bricht mit allen damals gültigen Normen und Konventionen der Malerei. Er verwandelte das traditionelle Prinzip der sukzessiven und mehrteiligen Erzählung, das als Charakteristikum der Florentiner Frührenaissance gelten kann, in ein effektvolles Spektakel. In seiner Darstellung des „Joseph in Ägypten“ werden die in grellen Farben gehaltenen Figuren einer extremen Skalierung unterworfen, Mit einer phantasievollen Mischung unterschiedlicher Elemente distanziert sich Pontormo deutlich vom monumentalen und erhabenen Stil der Hochrenaissance, der gleichzeitig in Rom seinen Höhepunkt erreichte. Diese Divergenzen in der stilistischen Orientierung in Florenz und Rom mögen sich z. T. daraus erklären, dass für Kunstwerke im privaten, bürgerlichen Milieu andere Kriterien galten. Gleichwohl manifestiert sich in der Ausstattung des Borgherini-Zimmers mit kleinformatigen und kleinteiligen Historienbildern eine neue künstlerische Sprache.

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#90

JACOBO PONTORMO (1494 – 1557) // Zeichnung

Studie zum Hl. Joseph für die Pala Pucci, Kirche San Michele Visdomini, Florenz, 1517-18

Schwarzer Stift und Rötel (Kinderkopf). 32,9×21,9 cm  (linke obere Ecke angestückt);  Gallerie degli Uffizi.

Die Drehung des Kopfes setzt eine intensive Beschäftigung mit der „Lakoon-Gruppe“ voraus. Dieselbe Gebärde wird weniger dramatisch und weicher im Selbstportrait auf dem Altarbild von Santa Felicità wiederkehren. (Zit.: Salvatore S. Nigro)

Die „Madonna mit Kind und Heiligen“, auch bekannt als Pucci-Altarbild befindet sich in der Kirche San Michele Visdomini in Florenz. Es wurde von Francesco di Giovanni Pucci in Auftrag gegeben, der als „Gonfaloniere di Giustizia“ de jure Staatschef der Republik und Oberkommandierender der Streitkräfte war. Gleichwohl waren die Mitglieder der Familie Pucci Vertraute der Medici, – waren sie doch auch Geldgeber für Cosimo de`Medici während seiner Verbannung. Das gesellschaftliche Klima in Florenz war zu dieser Zeit noch von einem sittenstrengen katholischen Fundamentalismus des 1498 hingerichteten Savonarola mitgeprägt. Gleichzeitig war das republikanische Regime kunstfreundlich  und spendierte öffentliche Aufträge in großem Stil.   

Pontormos größtes Tafelbild (214×195 cm) zeigt den Heiligen Joseph, der Jesus hält. Eine Rolle, die normalerweise von der Madonna erfüllt wird.  Auch damit bricht der erst 24 jährige Pontormo mit der bisherigen Bildtradition in der Darstellung einer Madonna mit Kind: Der neu geborene Jesus im Bildzentrum liegt getrennt von Maria, die ihrerseits von Heiligen umgebenen ist.  Die Gesichtszüge und Mimik des älteren Joseph und des hl. Evangelisten Johannes, sowie die lachenden Putten sind übertrieben ausgeprägt und die Blicke scheinen in alle möglichen Richtungen zu wandern. In keinem Fall kreuzen oder passen sie zusammen, was die psychologische Isolation der Figuren unterstreicht. Kurzum, alles vereint sich zu einer Atmosphäre ruheloser Instabilität.

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#89

JACOBO PONTORMO (1494 – 1557) // Zeichnung

Detailstudie zu den vier Patriachen, Capponi-Kapelle in Santa Felicità, Florenz, 1525

Rötel, 36,3 x 22,2cm (Gallerie degli Uffizi)

Das Gewölbe der Capponi-Kapelle mit den Fresken von Pontormo wurde 1736 bei der Renovierung der Kirche zerstört. In Fresko-Technik waren hier Gottvater und die vier Patriarchen dargestellt.

Die „Verkündigung“ (1526-1528) blieb in der Kapelle erhalten. Mit diesem Fresko entfernte sich Pontormo sehr weit von der üblichen Verkündigungstradition, indem er die Bedeutung der populären Volksprediger aufnahm.

Die Zeitgeschichte spielt deutlich in den Glanz und in die Nachtseiten der Spätrenaissance hinein: 1494 werden die Medici aus Florenz vertrieben. Die Stadt liegt in einem langen und zähen Konflikt mit Pisa. 1512 kehrt Giuliano de`Medici zurück. Ein Jahr später wird ein Medici zum Papst gewählt. Ab 1523, mit Giulio de`Medicis Besteigung des Heiligen Stuhls als Clemens VII wird Florenz endgültig aus Rom gelenkt. Im selben Jahr flieht Pontormo vor der Pest und Hingersnot aus Florenz, – aus einer Stadt, in der die Pest jeden Dritten der 32.500 Einwohner hinwegraffen wird. 1527 wird im Zuge des Sacco die Roma gegen die Medici geputscht. Über diese Italienischen Kriege hinaus gilt der Sacco di Roma als ein Höhepunkt kriegerischer Gewaltexzesse durch führerlose Söldnerheere. Zwei Jahre später wird Florenz von den kaiserlichen Truppen Karl V belagert, die schon Rom verwüstet hatten. Nach Verrat, im August 1530, kapituliert Florenz und Alessandro de` Medici kehrt als „Herzog der Republik Florenz“ zurück.

Das ist im Zeitraffer der historische Hintergrund eines einsamen, nachdenklichen und exzentrischen Künstlers, der später von der Gegenreformation zutiefst abgelehnt werden wird.

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#88

JACOBO PONTORMO (1494 – 1557) // Zeichnung

Studie zur Pomona (Göttin der Baumfrüchte) für Medici-Villa di Poggia a Caino (bei Florenz), um 1520

Oberer Teil: 17×23,3cm / Unterer Teil: 21,4×22,7cm (Gallerie degli Uffizi)

Schwarzer Stift und Bleiweiß. Das in bläulichen Nuancen übermalte Blatt ist in zwei Hälften zerschnitten. Wahrscheinlich hat Pontormo das Blatt selber auseinandergeschnitten. Der Zeichnung – spitzige und abgebrochene Striche – wird durch eine leichte Aquarellierung ein wenig von ihrer Härte genommen.

Schon in jungen Jahren war Pontormo als Auftragsmaler der Medici erfolgreich. Von 1518 bis 1521 schuf er die wunderbaren Fresken „Vertumnus und Pomona“ (Vertumnus = Gott der Jahreszeiten / Pomona = römische Göttin der Baumfrüchte) in der Medici Villa di Poggio a Caino.

Die Arbeit führte Pontormo dem Ziel näher, künstlerische Antworten auf den Zeitenwandel zu finden. Denn tief verunsichert waren die Menschen in jener Endphase der Renaissance, in der sich in Florenz Vertreibung der Medici und Wiedereinsetzung abwechselten. Giorgio Vasari, Chronist jener Dekaden, bezeichnete den von 1520 evident werdenden Stilwandel dieser Zwischenzeit neutral als „maniera moderna“.

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#87

JACOBO PONTORMO (1494 – 1557) // Zeichnung

Figurenstudie zu den Loggia-Fresken für die Villen Careggi und Castello, um 1535-1543

Rötel, 21,2 x 28,9 cm (Gallerie degli Uffizi).

Bei „Nudo visto da dietro“ handelt es sich um einen liegenden Akt, weiblich oder hermaphroditisch, in raffinierten, überraschenden Verbindungen und Verknotungen, von dem eine höchst sensible Sinnlichkeit ausgeht.

Vermutlich eine Vorzeichnung für die Fresken in den Loggien der Villen von Careggi und Castello, die Cosimo de`Medici 1537 bei Pontormo bestellte.

Nicht die Malerei, nicht die Bildhauerei sei die edelste Gattung der Kunst, vielmehr „il disegno“, als deren gemeinsames Fundament, im technischen wie ideellen Sinn, das ist Pontormos Meinung in der berühmten Umfrage Varchis von 1546. Pontormo ist ein Zeichner, der fragend zeichnet. „Perfektion ist für ihn weder gesichert, noch durch Regeln realisierbar zu denken. Pontormo hat den Zeichnungen zugetraut und zugemutet, was sonstwie nicht zu erlangen war.“ (Zit.: Emil Maurer, NZZ, November 1996)

Die Fresken in den Loggien der Villa von Careggi und Villa von Castello sind nicht erhalten geblieben. Erhalten haben sich nur eine Reihe von Zeichnungen und verzerrten Anatomien, die eindeutig von Michelangelos Allegorien der Medicigräber inspiriert sind.

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#86

JACOBO PONTORMO (1494 – 1557) // Zeichnung

Aktstudie für Freskos in der Medici Villa in Poggio a Caino, Florenz, um 1520

Rötel, 34,2 x36,5 cm (Gallerie degli Uffizi).

Auf dem Mäuerchen liegende Figur mit aufgestütztem Arm und einen Stab in der rechten Hand. Es ist die erste – männliche – Version  einer Gestalt, die am Ende Frauenkleider bekommen wird, ganz im Sinne von Pontormos unablässigem, androgynen Traum.

Die schreckhaft aufgerissen Augen des Knaben scheinen unvereinbar mit der bequemen Haltung. Die unmerkliche Tendenz zur Deformation, die Längungen, Muskelspiele und die seltsamen Schraffuren, die auf die Mauer übergreifen verweisen auf die Abkehr Pontormos von seinen Renaissance-Meistern Andrea del Sarto oder Leonardo.

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#85

WALTER KRATNER  // „DÄMMERUNG“ (1996)

Rauminstallation im Kreuzgang für Kulturzentrum bei den Minoriten

Kurator: Josef Fink (1941-1999)

„Die vorgedachte, konzeptionsbezogene Schlichtheit dieser Werkarbeit ist eine sprachlose Beschreibung der Grundkräfte des Wirklichen: Aggressionen, Verletzungen, Zerstörungen. Rohe Gerätschaften (Stangen, Steine, Säcke), die eher zur atavistischen Natur des Menschen gehören als zur Kunst, zeugen – in einer Rückerinnerung – vom Voranschreiten beängstigender Zustände.“ (Pressetext, Kulturzentrum b.d. Minoriten, 1996)

„(…) The choice of material derives from the iconography of poverty which characterizes the Franciscan order: wood pressed between two columns, a poor material with nails. The wood also acts as a division between the inside and outside – a wooden barrier referring to the psychological state of those inside. The architectural function of the cloister columns, meant to alternate dark and light as a form of meditation, is heightened with the resulting dimunition of light.“

Walter Titz, Kleine Zeitung, Graz  (engl. Version: Galerie „refusalon, San Francisco)

Video: Masoud Razavy Pour

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#84

JACOBO PONTORMO (1494 – 1557) // Zeichnung

Detailstudie zur Überführung Christi, Capponi Kapelle in Santa Felicita, Florenz um 1526

Schwarzer Stift auf Bleiweiß, 39 x 21,5 cm

Jacobo Carrucci, genannt Pontormo, wird 1494 in in Pontorme bei Empoli geboren. Er war wohl die stärkste und genialste Persönlichkeit des Florentiner Manierismus. Sein Werk bildet die Nahtstelle zwischen Hochrenaissance und Frühbarock, den beiden großen Stilrichtungen des 16. Jahrhunderts. Es spiegelt nicht nur das neue Selbstverständnis des Künstlers seit Michelangelo wider, sondern auch die Suche nach neuen Ausdrucksmöglichkeiten in einer von Glaubenskrisen, Pest und Existenzängsten geschüttelten Zeit.

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#83

WALTER KRATNER // „3 ROSES“  (2021)

Kulturstock 3, Pischelsdorf, Österreich

Für: „Das Wesen in der Kunst“

Auf einer rollenden Plattform stellt sich ein bizarrer Installationskosmos dar: Drei verwelkte Rosen werden in einer Vase von vier Ventilatoren angeblasen und torkeln mit Unterbrechungen im Kreis. Das Wesen der Schnittpflanze scheint auf dem grünen Balkonteppich vornehmlich von einem tristen „Slapstick des Scheiterns“, – von einem skurrilen „Todestanz“ geprägt zu sein, als von einem lyrischen Ansinnen zu sprechen. Der Künstler zielt mit seiner Auseinandersetzung auf all jene Banalitäten und Alltäglichkeiten, die das Leben eher widerspiegeln, als auf „ästhetische“ Preziosen.

Die Installation „Three Roses“ ist ein künstlerischer Rückgriff auf die Zimmergärtnerei, wie sie durch die Einführung der Blumentöpfe im 17. Jh. möglich geworden war. Über die visuelle Umsetzung hinausgehend, ruft die Installation natürlich weitere kunsthistorische Aspekte in Erinnerung: In den hochmittelalterlichen Gärten versinnbildlichen Pflanzen das Paradies. In den Renaissance- und Barockgärten kam ihnen politische Bedeutung zu. Eine Zuschreibung, die bis zur Französischen Revolution zu beobachten ist. Im Englischen Garten wurden sie seit dem 18. Jahrhundert  dazu eingesetzt, den Eindruck „freier“ Natur zu erzeugen.

Auch wenn Umberto Eco in der Nachschrift zu seinem berühmten Roman „Der Name der Rose“ anmerkt, die Rose bedeute so viel, dass sie fast gar nichts mehr bedeutet, gelten Pflanzen, besonders Rosen, als natürliche Gegenwelt zur städtischen Landschaft aus Stein, Beton, Glas, Asphalt.

Die Inszenierung „Three Roses“ spielt mit dieser tradierten Gegenwelt. Längst sind nämlich Naturerlebnisse als Gleichnisse, Metaphern oder Allegorien in der Postmoderne zum kleinbürgerlichen Zeitgeist, zu Dekorationsstoffen oder Accessoires verkommen.

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