PHILIP TAAFFE (*1955) // “Martyr Group” (1983) //
Collage auf Leinwand, 264 x 264cm
Zurzeit: Albertina Wien, Sammlung Jablonka
Philip Taaffe bekam seine künstlerische Ausbildung an der Cooper Union New York bei dem Künstler Hans Haacke. Er wurde Anfang der 1980er Jahre mit der Bewegung der „Appropriation Art“ international bekannt. Er ging zunächst von der Tradition der gegenstandslosen Malerei des 20. Jahrhunderts aus und verband seine Konzeption abstrakter Kunst mit Untersuchungen zum Ornament. Dabei betätigt sich Taaffe als Wanderer zwischen den Zeiten und Kulturen: von den präkolumbischen und indianischen Stammeskulturen in Amerika über die irisch-keltische und mozarabische Blüte des Ornaments in Europa bis in den Mittleren Osten, nach Indien und Japan.
„Gruppe von Märtyrern“ ist eine frühe Collage. Auf einer Müllhalde von New Jersey findet er unterschiedliche Zielscheiben, wie sie beim Schiesstraining der Polizei in Gebrauch sind. Die eine Art Zielscheibe zeigt die schematische Darstellung des Oberkörpers eines Menschen, an dem einzelne Bereiche mit einer Kombination aus Buchstaben und einer Zahl markiert sind, während die andere Art aus einer gewöhnlichen Scheibe aus konzentrischen nummerierten Kreisen besteht. Taaffe befestigt die totemartigen „Körper-Scheißscheiben“ überlappend auf einer Leinwand, fünf bis sechs Figuren pro Reihe, in fünf Reihen hintereinander. Der Aufbau entspricht in etwa der Anordnung eines konventionellen, auf einer Tribüne aufgenommenen Gruppenfotos. Die konzentrischen Scheiben sind die Köpfe der untersten und obersten Reihe unterlegt. Unterstützt durch die gelbe Farbe vermitteln sie den Eindruck eines Heiligenscheins.
Taaffe lässt sich von der Freskomalerei des 16. Jahrhunderts in rumänischen Klöstern inspirieren, aus denen uns Scharen von Heiligen entgegenblicken. In seiner Darstellung sind die Figuren jedoch gesichtslos oder wenden uns den Rücken zu. Ist dies das Bild einer Hinrichtung? Keiner bestimmten, aber vielleicht einer, die in diesem Augenblick, jetzt soeben stattfinden könnte, jeden Tag? Oder marschieren die titelgebenden Märtyrer womöglich freiwillig und geordnet in den Tod?
Das Werk entsteht am Beginn der Aids-Pandemie und kann daher auch auf die ersten Opfer dieser damals mit Sicherheit todbringenden Krankheit bezogen werden. (Text: Albertina Wien, 2020)