JACOBO PONTORMO (1494 – 1557) // Zeichnung
Studie zur „Heimsuchung“ / „La visitazione“ (1528-30)
Schwarzer Stift, Bleiweiß und Aquarellspuren (Quadrierung in Rötel), 32,7 x 24 cm (Gallerie degli Uffizi)
Es handelt sich um eine bereits weit fortgeschrittene Kompositionsstudie zur „Heimsuchung“ für die Villa Pandori. Das ausgeführte Gemälde befindet sich heute über den Seitenaltar der Pfarrkirche San Michele Arcangelo in Carmignano (Provinz Florenz). Deutlich spürbar der Einfluss Dürers. Die voluminösen, bauschigen Gestalten sind übergroß in einem gleichsam leergefegten städtischen Raum gestellt. (Zit.: Salvatore S. Nigro)
Die „Heimsuchung“ zeigt das Aufeinandertreffen der schwangeren Maria und ihrer ebenfalls schwangeren Schwägerin Elisabeth. Beide berühren einander sacht, auf Rippenhöhe und an der Schulter. Es ist, als wollten die beiden zu einem Reigen ansetzen. Denn so ernst sie sich in die Augen schauen, so gelöst sind ihre Bewegungen – Elisabeth scheint mit ihrem linken Fuß geradezu zu tänzeln. Diese Leichtigkeit überrascht auch deshalb, weil Marias Cousine die 50 überschritten haben dürfte: Pontormo kontrastiert sehr bewusst die junge, idealschöne mit der älteren, realistisch gesehenen Frau.
Pontormo hat Maria und Elisabeth in Seiten-, die zwei Begleiterinnen hinter ihnen in Vorderansicht wiedergegeben. Diese beiden Frauenfiguren sind rätselhaft, denn sie werden in der biblischen Erzählung nicht erwähnt und kommen auch sonst in der Ikonografie dieser Szene aus dem Lukas Evangelium nicht vor. Möglicherweise handelt es sich um eine kunstvolle Verdopplung der Hauptpersonen, um eine Simultandarstellung derselben Figuren in einem Bild.
Pontormo ließ sich in den Jahren nach 1520 zunehmend von der Grafik Albrecht Dürers beeinflussen. So geht die Anregung zur Gruppierung der vier Frauengestalten vielleicht auf Dürers Radierung „Vier nackte Frauen“ zurück, die ebenfalls von unterschiedlichen Seiten zu sehen sind. Sowohl Dürers als auch Pontormos Darstellungen varriieren das antike Thema der „Drei Grazien“, mit dem Pontormo sich zuvor in den Zeichnungen beschäftigt hatte.
Pontromo zeigt Maria und Elisabeth, beide schwanger, in sich selbst beobachtender Umarmung. Die Zugangsweise Pontormos regten auch Künstler wie Pier Paolo Pasolini zu seinem Film „La Ricotta“ von 1963 oder Bill Viola zur Videoarbeit „The Greeting“ von 1995 an.
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