JACOBO PONTORMO (1494 – 1557) // Zeichnung aus den Studien zu den Josephsgeschichten der Camera Borgherini in Florenz (1515 – 1518)
Abbildung: Studie zur Gemahlin des Pharao,
Schwarzer Stift und Bleiweiß auf bräunlichem, grundiertem Papier, 40,5 x 29,5 cm (Galleria degli Uffizi)
„Ausdruckstarke Studie eingeschlossener Angst an einer alten Frau … , in der Zeichnung der Linien, die sich in Helligkeit brechen, steckt eine schon beinahe chromatische Intensität.“ (Zit.: L. Becherucci)
Im Auftrag des Bankiers Francesco Borgherinis stattet Pontormo um 1518 gemeinsam mit anderen Fiorentiner Künstlern das Hochzeitszimmer für Borgherinis Sohn aus. Pontormos Beitrag umfasste drei „Cassone“ (Truhenbilder) und Gemälde mit Szenen aus dem Leben Josephs (alle vier Bilder in der National Gallery London).
Florenz ist zwar Geburtsort der Renaissance, aber um 1500 nicht mehr unumstrittene Kunst-Hauptstadt. In einem außergewöhnlichen Klima intellektueller Freiheit treffen in Florenz noch einmal die maßgeblichen Künstler und Kunstauffassungen von Leonardo bis Michelangelo zusammen und zwischen 1494 und 1530 entfaltet sich ein großes, faszinierendes Panorama Florentinischer Kunst. Es spricht für die Aufgeschlossenheit Florentiner Auftraggeber, dass sie auch derart gewagte Künstler-Visionen akzeptierten wie Pontormos Meisterwerke.
Mit 18 Jahren war Pontormo in die Werkstatt von Andrea del Sarto eingetreten. Spätestens seit 1515 gibt es dort einen deutlichen Einstrom deutscher und niederländischer Graphik (Dürer, Lukas van Leyden), in der sich ein „unruhiger“ Bildaufbau andeutet. In diesem Zeitraum ist auch ablesbar wie Michelangelo, Punkt für Punkt, die Proportionen forciert, wie er aus der klassischen Welt der Hochrenaissance in die „antiklassische“ Welt des Manierismus eintritt.
Pontormos Gemälde von Joseph mit Jacob in Ägypten (um 1518), aus der Bilder-Reihe für Pier Francesco Borgherini, legt nahe, dass der revolutionäre neue Stil Pontormos bereits mit diesem frühen Bild begann.
So gilt das Gemälde „Jacob in Ägypten“ auch als ein Meisterwerk des Manierismus. Pontormo bricht mit allen damals gültigen Normen und Konventionen der Malerei. Er verwandelte das traditionelle Prinzip der sukzessiven und mehrteiligen Erzählung, das als Charakteristikum der Florentiner Frührenaissance gelten kann, in ein effektvolles Spektakel. In seiner Darstellung des „Joseph in Ägypten“ werden die in grellen Farben gehaltenen Figuren einer extremen Skalierung unterworfen, Mit einer phantasievollen Mischung unterschiedlicher Elemente distanziert sich Pontormo deutlich vom monumentalen und erhabenen Stil der Hochrenaissance, der gleichzeitig in Rom seinen Höhepunkt erreichte. Diese Divergenzen in der stilistischen Orientierung in Florenz und Rom mögen sich z. T. daraus erklären, dass für Kunstwerke im privaten, bürgerlichen Milieu andere Kriterien galten. Gleichwohl manifestiert sich in der Ausstattung des Borgherini-Zimmers mit kleinformatigen und kleinteiligen Historienbildern eine neue künstlerische Sprache.
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